Bei den jüngsten Entwicklungen im EU-Erweiterungsprozess spielen geostrategische Überlegungen – etwa die russische Aggression in der Ukraine und mögliche russische Einflusssphären – eine immer wichtigere Rolle. „Die angespannte geopolitische Lage macht es dringlicher denn je, dass wir die Wiedervereinigung unseres Kontinents unter den Werten der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit vollenden“, sagte die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, anlässlich der Pressekonferenz die Präsentation des jährlichen Expansionsberichts.
In diesem Bericht gibt die EU-Kommission einen Überblick über die EU-Erweiterung und gibt Empfehlungen für weitere Schritte. Diese müssen dann vom Rat beschlossen werden, dem alle Mitgliedsstaaten angehören.
Beziehungen zu Russland als Demarkationslinie
Auf der Pressekonferenz betonte der Hohe Vertreter der EU, Josep Borrell, einen Punkt sehr deutlich: „Man kann nicht weiterhin Beziehungen zu Russland unterhalten oder versuchen, so weiterzumachen wie bisher und erwarten, dass das Land Mitglied der EU wird.“
Außenpolitisch liegen einige Länder wie Nordmazedonien, Albanien, Montenegro, Bosnien und Herzegowina und freiwillig Kosovo bereits voll auf der Linie der EU.
Montenegro und Albanien
Unter den sechs Ländern des Westbalkans liegt Montenegro derzeit vorne, wenn es um die EU-Mitgliedschaft geht. Dieses Land befinde sich in der Schlussphase, zu der auch der Abschluss der bereits verhandelten Kapitel gehöre, erklärte EU-Erweiterungskommissar Oliver Varhelyi. Auf die Frage, wann die Erweiterungsvereinbarung ausgearbeitet werde, sagte er, er könne kein konkretes Datum nennen.
Die EU und Albanien verhandeln seit Oktober über die inhaltlichen Aspekte der künftigen Mitgliedschaft. In ihrem Bericht fordert die EU Albanien auf, die entsprechenden Reformen zu beschleunigen, empfiehlt aber auch die Eröffnung des Verhandlungskapitels für die Außenpolitik.
Serbien und Kosovo
Von Serbien will die EU-Kommission unter anderem, dass dieses Land seine Außenpolitik an die Positionen der EU anpasst – z.B. im Falle von Sanktionen gegen Russland. Die Kommission betonte die Notwendigkeit einer Normalisierung der Beziehungen zum Kosovo und sprach sich auch für die Eröffnung weiterer Verhandlungskapitel aus.
Für Kosovo, das weiterhin ein potenzieller Beitrittskandidat ist, fordert die EU-Kommission insbesondere die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und der öffentlichen Verwaltung. Wenn ihm der Rat das Mandat erteilt, ist er bereit, weitere Schritte für den Beitrittsprozess zu unternehmen.
Nordmazedonien und Bosnien-Herzegowina
Weder Nordmazedonien noch Bosnien-Herzegowina befinden sich in der inhaltlichen Phase der Verhandlungen. Laut EU-Kommission braucht Nordmazedonien weitere Reformen, insbesondere im Bereich der Rechtsstaatlichkeit, des Justizsystems und der Korruptionsbekämpfung.
Auch Bosnien und Herzegowina muss die Empfehlungen der EU umsetzen, bevor die nächsten formellen Schritte zur Aufnahme von Verhandlungen umgesetzt werden können./DW